Kassel, 29.03.1980, (hpo, Hessische Allgemeine) -Mehr Mut zur Nutzung der‘ Mikroelektronik auch in mittleren und kleinen Unternehmen hat der Geschäftsführer des VDI-Technologiezentrums in Berlin, Dipl.-Ing. Klaus-P. Friebe, gefordert. Vor Vertretern von Wirtschaft, Forschung und Behörden wies Friebe beim Reuter-Forum der Stadtsparkasse Kassel darauf hin, daß sich durch die Mikroelektronik zur Zeit die dritte technische Revolution vollziehe — eine Entwicklung, an der teilhaben müsse wer wirtschaftlich überleben wolle.
Diesen Zug der Zeit hätten die
meisten Unternehmer „leider
noch nicht richtig erkannt“,
meinte Friebe gegenüber unse-
rer Zeitung. Als besonders er-
schreckend, empfinde er »die
große Technik-Feindlichkeit
in der Bundesrepublik, die sich
auch darin ausdrücke, daß die
Zahl der Studenten im Elektronik-
Bereich um rund die Hälfte
zurückgegangen sei. Friebe
schätzt die Zahl der offenen
Stellen für qualifizierte Ingenieure
bundesweit. auf fünf bis
sechstausend. Viele Firmen sähen
sich bereits gezwungen, In-
genieure aus den- USA „anzuheuern“.
Trotz der ungeheuren Fortschritte,
die die Mikroelektronik
seit ihren Anfängen im Jahre,
1960 gemacht hat, ist nach Ansicht
des Experten heute erst ein
Nutzungsgrad von 5 Prozent“
dessen, erreicht, was nochmals
20 Jahre später entwickelt worden
sein wird. Hinter diesen,
nüchternen Zahlen verbergen sich
enorme Veränderungen der
Berufs- und Beschäftigungsstrukturen.
Am stärksten davon
betroffen sei nach Ansicht
Friebes der Bereich des Mittel-
Managements, wo die meisten
Entscheidungsfunktionen vom
Menschen auf die Elektronik
verlagert würden. Theoretisch
seien auch viele Krankenhaus-
ärzte durch Diagnose-Computer
ersetzbar.
Das VDI-Technologiezentrum
in Berlin ist eine bundesweit tä-
tige Einrichtung des Vereins
Deutscher Ingenieure, und wird
zum Teil aus Mitteln des Bun-
desforschungsministeriums finanziert.
Zu seinen Aufgaben
gehört auch die Beratung und
Förderung von mittelständiechen
Unternehmen bei der Anwendung
der Mikroelektronik.
Förderungswürdige Entwicklungsprojekte
werden zu 50
Prozent aus Mitteln des Forschungsetats
finanziert. Dafür
stehen dem Institut rund 50 Mill.
DM zur Verfügung.