Frankfurt, 10.10.1979 (TOPICS) – Klaus Peter Friebe ist Prototyp eines neuen Unternehmensberaters. Er steuert den Technologie-Transfer -ein Porträt.

Wenn es einen Ort gibt, an dem sich

die sprunghafte Entwicklung der

deutschen Innovationsszene unmittelbar

erfassen läßt, so ist es das VDI-Technolo-

giezentrum in Berlin. Es wurde im April

letzten Jahres mit vier Mitarbeitern gegründet

und bezog in diesen Tagen neue

Räume direkt an der Gedächtniskirche: sie

sind für 45 Mitarbeiter ausgelegt, denn auf

29 Berater und Sekretärinnen ist das Team

bereits angewachsen. Dieser schnelle Start

geht nicht allein auf das Bundes ministerium

für Forschung und Technologie zurück,

das viele Förderungsprojekte über

das Zentrum abwickeln läßt. Er hängt mit

den Erfolgen eines Beratertypus zusammen,

der im industriellen Management

selten ist.

»Es sind Hybriden«, sagt der Leiter.

DIPL.-ING. KLAUS PETER FRIEBE, überseine

Mitarbeiter. »Sie kommen aus den unterschi

edlichsten Bereichen, teilweise aus den

Geisteswissenschaften und dem Journalismus,

doch sie verfügen über ein hohes

technisches Wissen und sind für übergreifende

Fragestellungen qualifiziert. Denn

bei unseren Analysen und Lösungsvorschlägen,

die immer ein Problemdreieck

aus Technologie, Markt und sozialen Folgen

zu bewältigen haben, kämen Spezialisten

kaum zum Zug.«

In diesem Zusammenhang ist Friebes eigene

Biografie aufschlußreich. Sie hat ihn

auf einer wechselvollen Wanderschaft von

Polen über die Vereinigten Staaten zurück

nach Deutschland mit ungewöhnlichen

Erfahrungen ausgestattet, die erst in seiner

gegenwärtigen Funktion als Innovationsmanager

zu einer sinnvollen Einheit zusammenschießen

und auch seinen extremen

Argumenten eine unerwartete Überzeugungskraft

verleihen.

In Schlesien 1935 geboren, durch deutsche,

russische und polnische Schulen gegangen,

hatte Friebe Elektrotechnik studiert

und war Mitte der fünfziger Jahre

Montageleiter einer Firma in Kattowitz.

Für polnische Verhältnisse ging es ihm

wirtschaftlich gut, doch er wagte dennoch

mit seiner Familie 1958 die Flucht in den

Westen – um ganz von vorn zu beginnen:

als Fließbandarbeiter bei Grundig. Er holte

das deutsche Abitur nach, studierte Physik

in Erlangen und schloß seine theoretische

Ausbildung mit einer wellentheoretischen

Diplomarbeit am Institut von Prof. Meineke

ab.

Bezeichnend für ihn ist nun die erneute

Wende, die er als Entwicklungsingenieur

vollzog. Statt eine normale Karriere in einem

deutschen Elektrokonzern zu beginnen

und erst einmal hier zu zeigen, was er

gelernt hatte, wanderte Friebe 1967 nach

Amerika aus. Er konnte weder Englisch

noch hatte er eine gesicherte Position in

Aussicht, er wollte einfach in dem innovationsstärksten

Land praxisnah weiterstudieren

und begann im Mikrowellenbereich

von General Dynamics zu arbeiten.

Als er wenig später bei Remington Rand

Chips für Tischrechner entwickelte, begann

sein Aufstieg in der Konzernforschung.

Friebe wurde wegen seiner unko

nventionellen Denkweise, die sich am

liebsten experimentell und in verfahrenen

Praxisfällen bewährt, im kritischen Kopiergeräte

bereich für Entwicklungsprobleme

zuständig, und er leitete schließlich eine

ganze Truppe von Trouble-Shootern.

»Als Regionalchef mußte ich einmal

selbst bis nach Denver fa hren, um hinter

ein rätselhaftes Ausfallproblem zu kommen.

Es stellte sich heraus, daß der örtliche

Servicemann eine veralterte Gebrauchsan-

weisung benutzte und mehr Maschinen

kaputt machte als in Ordnung brachte.

Seitdem greife ich mir immer ein Projekt

heraus, das ich bis in die Arbeit vor Ort

selbst betreue, und ich bewahre mir dabei

das Gefühl für die richtigen Fragen, die Krisen

punkte und Datenbremsen, die man

in der Managementroutine nicht mehr

entdeckt.«

Friebe kehrte 1975 nach Deutschland

zurück, und der letzte Neu beginn war im

Grunde eine Auswertung seiner USAErfahrungen.

Er begann mit dem BMFT

an schwierigen Projekten im Mikroprozessoren-

Bereich zu arbeiten und entwickelte

ein Sanierungskonzept für die Uhrenindustrie.

Erst der Erfolg dieses Pilotprojektes

ermöglichte die Gründung des neuen

Technologiezentrums in Berlin, das nun

bundesweit Unternehmen bei Innovationen

auf den Gebieten Physikalische Technologien,

Mikroelektronik und Druckereitechnik

berät.

Bisher konnten bereits 200 Entwicklungsvorhaben

betreut werden, von denen

etwa ein Drittel mit Bundesmitteln bis

zu 4 Mio DM unterstützt wurden. Die

Nachfrage nach dem Know-how, das Friebe

und seine Mitarbeiter aus allen erreichbaren

Quellen akkumulieren, ist inzwischen

so stark, daß erneut Personalengpässe

auftreten. Denn der Technologie-Transfer

zu kl einen und mittleren Unternehmen

ist nur die eine Seite der Arbeit. Die Projektbegleitung

über Monate und Jahre, das

ständige »siegen helfen« auf mehreren Ebenen,

forderte eine selbstlose Besessenheit,

wie sie wohl nur von »Hybriden« erbracht

wird. Klaus Peter Friebe ist ihr Prototyp.

 

1979-10-10_TOPICS-A14S3_Der-Innovationsmanager