Berlin, 28. 04.1981 (mk, Tagesspiegel) – Als „eines der Zentralprobleme unserer Zukunft als Industrieland* hat Bundesforschungsminister von Bülow gestern auf einerPressekonferenz im VDI-Technologiezentrum Berlin die Einführung der Mikroelektronik bezeichnet.

Zwei Fragenkomplexe stehen dabei für den Minister derzeit im Vordergrund.

Zum einen ist es die Frage nach der künftigen

Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller integrierter

Schaltkreise, zum anderen die Frage

nach den Möglichkeiten der kleinen und mittleren

Unternehmen, mit den Risiken fertig zu

werden, die mit der Einführung der Mikroelektronik

verbunden sind.

Von Bülow unterstrich: „Wir stehen heute

an dem Punkt, an dem die laufende Veränderung

des Marktes durch die Mikroelektronik

eine gesamtwirtschaftlich einschneidende Größenordnung

erreicht hat“. Zu der Diskussion

um die Mikroelektronik als »Jobkiller“ betonte

er, daß ohne deren breite und schnelle

Einführung mit all ihren Anfangsschwierigkeiten

der Verlust von Märkten und damit

ein drastisches Sinken des Lebensstandards

unausweichlich sei. An die Kultusminister der

Länder appellierte er, Technik und Naturwissenschaften

in den Lehrplänen mehr Raum zu

geben.

Im Technologiezentrum war der Minister

mit Vertretern der großen miteinander konkurrierenden

bundesdeutschen Mikroelektronik-

Produzenten zu einer Situationsanalyse

zusammengetroffen. Sie unterstrichen die Entschlossenheit

ihrer Firmen, in den nächsten

fünf Jahren mit erheblich . verstärktem Aufwand

„den nächsten technologischen Sprung“

zu bewältigen. Das Bundesforschungsministerium

fördert diese Entwicklung in diesem

Jahr mit rund 61 Millionen DM. Für die Anwendung

der Mikroelektronik bei mittelständischen

Unternehmen ist eine Fördersumme

von 20 Millionen DM veranschlagt.

Aufgabe des VDI-Technologie-Zentrums ist

es unter anderem, die kleinen und mittleren

Betriebe bei der Entwicklung von Anwendungsmöglichkeiten

zu beraten. Eine bedeutende

Zahl von ihnen werde ohne intensivierte

Nutzung der Mikroelektronik nicht

überleben. Andererseits könne derzeit, so

betonte der Geschäftsführer des Zentrums,

Friebe , der Bedarf an qualifizierter Technologie-

Beratung nicht annähernd gedeckt werden.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik

zu erhalten, beziehungsweise zu

verbessern, sei ein ausreichend großer inländischer

Markt nötig, von dem Impulse für die

Weiterentwicklung der Mikroelektronik ausgehen

müssten, unterstrichen die Unternehmensvertreter.

Zuversichtlich ist man im Hinblick

auf die Entwicklung der Röntgenlithographie,

bei der die Bundesrepublik derzeit

weltweit führend sei. Diese Führungsposition

werde durch die Forschungsmöglichkeiten am

voraussichtlich Ende nächsten Jahres fertiggestellten

Berliner Elektronen-Synchrotron

BESSY ausgebaut. – mk

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