Berlin, 28. Februar 1978 (Eckhard Miketta, congena texte) – Kleinere und mittlere Unternehmen in ihrer Innovationsfähigkeit zu stärken und zu umfassender Innovationstätigkeit anzuregen, ist die Hauptaufgabe des neu gegründetenVDI-Technologiezentrums in Berlin. Mit Geschäftsführer Klaus P. Friebe sprach congena-texte-Redakteur Eckhard Miketta.
congena texte:
Herr Friebe, jeder redet heute vom Begriff der Innovation.
Was ist daran nun eigentlich grundsätzlich
neu? Innovation hat es doch schon immer gegeben.
Klaus P. Friebe:
In der Tat, Innovation hat es schon immer gegeben,
nur wurde in der Vergangenheit dieser Tatbestand
nicht mit dem Schlagwort Innovation bedacht. Heute
wird vielfach das Wort Innovation in inflationistischer
Art, d.h. für jedwede Änderung, gebraucht. Von
Innovation sollte meines Erachtens nur die Rede
sein, wenn eine organisierte und vorausgedachte
Veränderung vorliegt, bei der auch die komplexen
Auswirkungen auf das Umfeld berücksichtigt werden.
Auf diesem Gebiet scheint in der Bundesrepublik
noch relativ wenig Verständnis vorhanden zu
sein. Man betrachtet Innovationen immer noch sehr
eng im Rahmen der Produkt- und Verfahrensinnovation
und nicht in der ganzen Breite der mit einer
Veränderung im Zusammenhang stehenden Auswirkungen
wie z.B. im Bereich der Ausbildung, der
Organisationsentwicklung in den Unternehmungen,
der gesellschaftlichen Veränderungen im allgemeinen.
congena texte:
Sie haben lange Jahre in den USA gearbeitet. Was
können wir von den Amerikanern lernen?
Klaus P. Friebe:
Ich bin der Auffassung, daß weniger die Staaten als
die Individuen voneinander lernen können. Der
Unterschied zwischen der Bundesrepublik und den
USA liegt nicht so sehr im Bereich des technologischen
Know-how, als vielmehr im Bereich der Innovationsfreudigkeit.
Eine flexiblere Organisation und
eine zukunftsorientierte Grundeinstellung in den
Unternehmen wie auch bei der kommunalen und
staatlichen Verwaltung führen in den USA zu einer
wesentlich zügigeren und pragmatischeren Nutzung
technologischen Wissens.
congena texte:
Sie sind mittlerweile in zahlreichen mittelständischen
Unternehmen und in verschiedenen Branchen tätig
geworden. Können Sie uns etwas über die spezifischen
Erfahrungen, die Sie dort gesammelt haben,
sagen?
Klaus P. Friebe:
Die Erfahrungen von Branche zu Branche sind natürlich
sehr unterschiedlich. Allgemein ist zu sagen,
daß in vielen Fällen die Probleme und Fragen, mit
denen wir uns in Zukunft im Bereich der Veränderung
der Industriestruktur werden beschäftigen müssen,
noch viel zu wenig bekannt sind. Aussagen von analytischem
Wert sind nur sehr schwer zu treffen, da
ausreichendes Basismaterial nur in geringem Umfang
vorhanden ist und die meisten Statistiken nicht für
eine Analyse der Probleme kleinerer und mittlerer
Unternehmen geeignet sind. So mußten wir z.B. in
der Uhrenindustrie erst umfangreiche eigene
Studien und Recherchen durchführen, um über den
Ist-Zustand und über die Probleme gerade dieser
Branche detaillierte Aussagen zu gewinnen und in
Zusammenarbeit mit der Industrie Lösungsansätze
für eine Weiterentwicklung und eine zukunftsorientierte
Industrieveränderung konzipieren zu können.
Kurz, Informationsnutzung ist ein Problem für viele
Unternehmen.
congena texte:
Aufgrund Ihrer Tätigkeit sind Sie in vielen Veröffentlichungen
als ,Innovations-Manager apostrophiert^
worden. Was bedeutet das nun konkret? Für Sie und
für die Unternehmen. Was haben sie von einem Innovations-
Manager zu erwarten?
Klaus P. Friebe:
Zunächst möchte ich erst einmal klarstellen, daß das
Management eines Unternehmens nicht unsere
Aufgabe ist und sein wird. Dies müssen die Unternehmen
selbst bewerkstelligen. Bei unserer Tätigkeit
kommt es mehr darauf an, neue Gedanken, neue
Quellen des Know-hows und unterschiedliche Arten
seiner Nutzung in die Betriebe hineinzutragen unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der Auswirkungen,
die mit der Umsetzung dieser Technologien in den
einzelnen Betrieben verbunden sind. Innovations-
Manager sein bedeutet in vielen Fällen auch unbequem
zu sein, das heißt, sich nicht allein an den her
kömmlichen Strukturen zu orientieren und auch
gewohnte Lösungen infragezustellen. Dies ist besonders
für kleine und mittlere Unternehmen wichtig,
da gerade diese durch die Tagesroutine sehr wenig
Möglichkeit haben, kritisches Potential in dereigenen
Organisation aufzubauen und zu erhalten. So ist der
Mangel an aktueller Information über Technologie
und Marktentwicklung für diese Unternehmen eines
der gravierendsten Probleme. Meistens wird eine
sehr kurzfristige Marktorientierung sichtbar, d.h. der
Markt wird nicht systematisch aufgebaut, sondern die
bestehenden Marktanforderungen werden kurz-
Klaus P. Friebe (rechts) im Gespräch mit Eckhard Miketta
fristig abgedeckt. Langfristige, technologische Veränderungen
jedoch und deren strukturelle Auswirkungen
werden in den seltensten Fällen in diesem
Industriebereich diskutiert und in die Unternehmensplanung
mit einbezogen. Nicht zuletzt aus dem
schon erwähnten Mangel an Personal, das diese
Fragen diskutieren könnte.
congena texte:
Was hat denn ein mittelständischer Unternehmer
nun konkret von Ihnen zu erwarten?
Klaus P. Friebe:
Wir gehen auf einer sehr breiten Basis, jedoch technologieorientiert,
auf die spezifischen Fragen und
Probleme der einzelnen Unternehmen ein, wobei der
Aufwand und der Nutzen für das Unternehmen von
seinem jeweiligen Stand abhängen. Wenn z. B. neue
Technologien wie speziell die Mikroelektronik zum
Durchbruch in den Produkten und Verfahren kommen
oder gekommen sind, wird dies auch Konsequenzen
auf den Personalstand und auf die Organisationsstruktur
haben. In den meisten Fällen wird unsere
Tätigkeit mit Anregungen enden. In einer Reihe von
Fällen erstreckt sich unsere Hilfe jedoch von der
Anregung über die Betreuung der Realisierung von
neuen Produkten bis hin zur Finanzierung von Forschungsvorhaben.
congena texte:
Es sind in letzter Zeit in der Bundesrepublik zahlreiche
Institutionen ins Leben gerufen worden, die
unter der Rubrik „Technologie-Transfer“, .Technologie-
Vermittlung“, „Innovations-Beratung“ etc.
laufen. Sie sind GeschaÅNftsführer des VDI-Technologiezentrums
in Berlin, wie unterscheidet sich die
Tätigkeit dieses Technologiezentrums von anderen
vergleichbaren Einrichtungen?
Klaus P. Friebe:
Wir im VDI-Technologiezentrum verstehen uns nicht
als breitbandige Allround-Makler für Technologien
und Kapital, sondern sind technologiespezifisch ausgerichtet.
Auf den Gebieten Physikalische Technologien,
Mikroelektronik und Druck- und Reprographietechnik
bieten wir den Unternehmen eine
sehr komplexe Beratung, Förderung und Information
an. Wir arbeiten z.B. bei der Förderung an der Produktkonzeption
oder am Systemkonzept mit; bei der
Umsetzung können wir nur bedingt helfen. Dies muß
durch die einzelnen Unternehmen gewährleistet
werden. Man könnte unsere Tätigkeit in diesen Bereichen
mit einem Schlagwort wie „Hilfe aus einer
Hand“ bezeichnen. Damit ergeben sich für die
Unternehmen sehr viele Vorteile, da sie gemeinsam
mit einer Gruppe, mit einer Institution einen sehr
komplexen Fragenkatalog erarbeiten können.
congena texte:
Nun stehen gerade die deutschen Unternehmen
nicht im Ruf einer übergrossen Beratungsfreudigkeit.
Haben Sie da ähnliche Probleme, d.h. kommen die
Unternehmen auf Sie zu oder haben Sie Schwierigkeiten,
Ihre Dienste an den Mann zu bringen?
Klaus P. Friebe:
In der ersten Phase war es auch für uns notwendig,
unsere Dienste einem breiteren Publikum bekannt zu
machen. Dies geschah durch gezielte Informationstagungen,
in denen wir die Unternehmen z.B. über
die Auswirkung der Mikroelektronik informierten.
In der heutigen Situation werden wir aufgrund unseres
Bekanntheitsgrades von vielen Unternehmen
angesprochen.
congena texte:
Sie sind unteranderem als ProjekttraÅNgerfürdas BMFT
tätig. In dieser Eigenschaft sind Sie in den Prozeß der
Mittelvergabe in Höhe von 45 Mio DM für das Jahr
1978 eingeschaltet. Sind es nun ausschließlich finanzielle
Motive, aus denen heraus die Unternehmen
Sie ansprechen?
Klaus P. Friebe:
Zweifelsohne ist der erste Kontakt, der erste Wunschkatalog
ein finanzielles Anliegen. Bei weiterer Bearbeitung
und intensiver Betrachtung der Anfragen
stellt sich jedoch sehr bald heraus, daß für viele Unternehmen
eine weitergehende Unterstützung notwendig
ist. Bei der Umsetzung von neuen Technologien
in Produkte beginnt dann ein sehr intensiver
Informationsaustausch, der in vielen Fällen für die
Unternehmen von wesentlich größerem Nutzen sein
kann als die anschließende Förderung. Auch während
der Förderung wird oftmals unterschätzt, wie
hoch die Unterstützung während der Realisierung
durch Gutachter oder Projektbegleiter ist. Darum verwundert
es nicht, daß viele Unternehmen gerade
diesen Vorteil erst bei der Durchführung von Projekten
erkennen und ihn dann auch intensiv für ihre
eigene Unternehmenspolitik nutzen.
congena texte:
Woher bekommen Sie nun das Know-how, das Sie
den Unternehmen zur Verfügung stellen, und wie
stellen Sie sicher, daß Sie da ständig auf dem aktuellsten
Stand sind?
Klaus P. Friebe:
Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesforschungsministerium
können wir de facto auf die
vom BMFT geförderten Institutionen zurückgreifen.
Natürlich können wir nicht das gesamte Technologie-
Spektrum abdecken. Wir schränken uns auf die
schon erwähnten drei Bereiche ein, und hier haben
wir einen sehr intensiven Austausch mit den Knowhow-
Anbietern, vor allem den Fachinstituten und den
externen Technologie-Herstellern, sowie auf der
anderen Seite mit den Technologie-Nutzern. Aus
diesem Dialog heraus entsteht in vielen Fällen das
aktive Wissen.
congena texte:
Woran messen Sie den Erfolg Ihrer Leistung? Es ist ja
ein offenes Geheimnis, daß die Vergabe von Fördermitteln
auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten
erfolgt. Ist es für Sie da nicht eine Versuchung, eher
größere Unternehmen zu beraten, die kompetente
Gesprächspartner haben und denen die ja immer
noch bürokratische Abwicklung keine Schwierigkeiten
bereitet?
Klaus P. Friebe:
Auch Sie scheinen hier einem weit verbreiteten Vorurteil
zu unterliegen. Natürlich macht es relativ weniger
Aufwand, große Projekte abzuwickeln, jedoch gilt
gerade unsere Tätigkeit bevorzugt den kleinen und
mittleren Unternehmen; wir sehen den Reiz in der
Vielfalt und Intensität der Probleme, die wir gemeinsam
mit den Unternehmen lösen. Es ist ja nicht so,
daß die kleinen und mittleren Unternehmen Technologie
schlechter nutzen als die großen Unternehmen.
Unsere Erfahrung hat gezeigt, daß gerade kleine
Unternehmen bis ca. 50 Beschäftigten wesentlich
informierter dastehen als vielleicht Unternehmen mit
250 bis 600 Beschäftigten. Aus unserer Tätigkeit
kann man wohl sagen, daß die Größenunterschiede
zwischen Unternehmen gar nicht so entscheidend
sind, es kommt vielmehr auf das menschliche Potential
in diesen Unternehmen an und darauf, inwieweit
dieses flexibel und aufgeschlossen gegenüber
neuen Entwicklungen ist.
congena texte:
Was können Sie einem mittelständischen Unternehmen,
das bei sich einen Innovationsengpaß vermutet
und etwas tun will, nun empfehlen?
Klaus P. Friebe:
Sie lassen mir in diesem Punkt wenige Möglichkeiten.
Natürlich kann ich nur raten, mit uns Kontakt
aufzunehmen. Fallen die Anfragen nicht in unseren
Aufgabenbereich, bemühen wir uns, die entsprechenden
Stellen und Informationsträger zu vermitteln.
Betreffen die Anfragen unsere Bereiche, versuchen
wir, schnelle und direkte Hilfe zu leisten.
Dadurch können wir Vorurteile ausräumen, daß bei
der Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen
bürokratisch verfahren wird. Weiterhin muß
auch der vielmals geäußerten Auffassung widersprochen
werden, daß ein Know-how-Abfluß aus den
kleinen und mittleren Unternehmen durch die Förderung
entsteht, da unsere Tätigkeit durch hohes Vertrauen
und Neutralität, d.h. Geheimhaltung, gekennzeichnet
ist. Wir versuchen, mit unserem Wissen,
unserer Erfahrung und unseren Mitteln vielen auf
unseren Gebieten Hilfestellung zu geben; alles können
auch wir nicht
Textende: Redakteur Eckehard Miketta
1978_congena-texte-Ausgabe-2-S.43ff_Eckhard-Miketta-Artikel_Interview-kpf-zu-VDI-Techlogiezentrum